Die Geschichte des Max Reinhardt Seminars

Max Reinhardt

Max Reinhardt (1873-1943) war einer der bedeutendsten Regisseure des österreichischen und deutschen Theaters im 20. Jahrhundert. Sein Wirken markiert den Beginn der modernen Regie und umfasst zugleich ihre weit gespannten Möglichkeiten: das Kammerspiel und die Großrauminszenierung, die intime Szene und die Massenregie, die zeitgenössische Dramatik und das wortlose Spektakel, die Arbeit mit den Schauspielern und die Erschaffung neuer szenischer Räume. 

Der am 9. September 1873 in Baden bei Wien geborene Max Reinhardt – sein ursprünglicher Name lautete Maximilian Goldmann – begann als Schauspieler und wurde nach Engagements an mehreren Theatern 1894 von Otto Brahm ins Ensemble des Deutschen Theaters in Berlin aufgenommen. Reinhardt war Mitbegründer des Schall und Rauch Theaters, das 1902 in Kleines Theater umbenannt wurde. 1905 pachtete er das Deutsche Theater, 1908 eröffnete er die Kammerspiele des Deutschen Theaters. Viele weitere Spielstätten und Theater wurden Teil dessen, was als Reinhardts „Theaterimperium“ bewundert und auch kritisiert wurde. Die Inszenierungen wurden auch auf zahlreichen Tourneen präsentiert, die durch Europa und die USA führten. 1920 eröffnete Reinhardt die von ihm initiierten und mitbegründeten Salzburger Festspiele, 1924 das Theater in der Josefstadt, das er nach seiner Übernahme völlig neu ausstatten ließ und programmatisch zu einem „Theater der Schauspieler" erklärte.

Die Heranbildung einer jungen Generation von Theaterleuten durch eine fundierte und umfassende Ausbildung war ein wesentliches Anliegen Max Reinhardts. 1905 eröffnete die von ihm gegründete Schauspielschule des Deutschen Theaters in Berlin. Ab 1925 wurden Max Reinhardt im Rahmen der Fachhochschule für Musik und darstellende Kunst in Wien Lehraufträge übertragen. 1928 konnte er das nach seinen Konzeptionen eingerichtete „Schauspiel- und Regieseminar“ im Schlosstheater Schönbrunn eröffnen, das zum „Max Reinhardt Seminar“ werden sollte. 

Im amerikanischen Exil in Hollywood gründete Max Reinhardt 1938 eine Ausbildungsstätte: den „Max Reinhardt Workshop of Stage, Screen and Radio“. Er starb am 31. Oktober 1943 in New York, sein Grab befindet sich in Hastings on Hudson, New York.
 

1928 - 1938

1928 wurde das von Max Reinhardt begründete und fortan geleitete „Schauspiel- und Regieseminar“ im Schlosstheater Schönbrunn offiziell eröffnet; die Aufnahme des Unterrichtsbetriebs erfolgte 1929. Das staatliche Hochschulseminar, für das bald der Name „Reinhardt-Seminar“ gebräuchlich wurde, bot eine zweijährige umfassende Ausbildung sowie die Möglichkeit, in öffentlichen Aufführungen des Seminars mitzuwirken. Die Etablierung des Reinhardt-Seminars bedeutete eine wesentliche Neuerung in der Geschichte der Wiener Schauspielausbildung. Angestrebt wurde ein enger Bezug zwischen Unterricht und Erfahrungen aus der Theaterpraxis. Der Unterricht in der Gruppe, die Erarbeitung von Szenen, hauseigene Inszenierungen, der Kontakt mit bekannten Theaterleuten gehörten zu den wesentlichen Eigenschaften der Schule, die diese vom gängigen Privat- und Akademieunterricht unterschied.  

Max Reinhardt holte zahlreiche bedeutende Theaterleute und PädagogInnen an sein Schauspiel- und Regieseminar. Zu ihnen gehörten die Regisseure Emil Geyer, der als Direktor des Seminars fungierte, und Paul Kalbeck. Weiters unterrichteten der Regisseur, Theaterdirektor und Schriftsteller Ernst Lothar, der Regisseur Iwan Schmith - Spezialist für die Methode nach Stanislawski -, der Schauspiellehrer Carl Meinhard, die SprechlehrerInnen Zdenko Kestranek, Margit von Tolnai, Gertrud Lasch, Leopold Hubermann und Robert Rosner, der Lehrer für Musik Arthur Kleiner sowie der Lehrer für Geschichte der Regie und Dramaturgie Emil Lind. Als Lehrer für Bühnenbild wirkten Alfred Roller und Oskar Strnad. Nach der Auflösung der Fachhochschule für Musik und darstellende Kunst, in deren Rahmen das Seminar eingerichtet worden war, wurde das Seminar ab 1931 als Privatinstitut weitergeführt; Sitz der Schule war weiterhin das Schlosstheater Schönbrunn.

Eine ausführliche Darstellung der Geschichte des Reinhardt-Seminars von 1928-1938 bietet die Festschrift „Die vergessenen Jahre“, in ihr wird auch von der Vertreibung der jüdischen Lehrenden und Studierenden 1938 erzählt. Die Publikation erschien 2004 zum 75. Jahrestag der Eröffnung des Max Reinhardt Seminars, sie enthält Beiträge von Peter Roessler und Achim Benning sowie Verzeichnisse der Leiter, der Lehrkräfte und der Studierenden.

Die vergessenen Jahre
Zum 75. Jahrestag der Eröffnung des Max Reinhardt Seminars
Hrsg. v. Peter Roessler, Günter Einbrodt, Susanne Gföller
Wien 2004, 88 Seiten, zahlreiche Abbildungen

Bestellung: Tel. +43-1-71155-2802 oder per E-Mail
Preis: € 7,-


1938 - 1945

Die Annexion Österreichs 1938 und die Errichtung des nationalsozialistischen Regimes bedeuteten personell das Ende des alten Reinhardt-Seminars. Die jüdischen LehrerInnen und SchülerInnen wurden vom Unterricht ausgeschlossen, der Name Max Reinhardt offiziell nicht mehr genannt. Ein Großteil der Lehrenden musste ebenso wie zahlreiche SchülerInnen und AbsolventInnen ins Exil flüchten. Emil Geyer wurde im Konzentrationslager Mauthausen ermordet. Paul Kalbeck floh 1939 in die Schweiz, im Exil konnte er ab 1942 als Regisseur und Oberspielleiter am Stadttheater Bern wirken, das er zu einem wichtigen Theater machte.

Die Leitung des Schauspiel- und Regieseminars hatte gleich nach der Annexion Österreichs der langjährige Sekretär des Seminars Hans Niederführ übernommen, der seit 1933 Mitglied der NSDAP gewesen war. Hans Niederführ, selbst ehemaliger Schauspiel- und Regieschüler, hatte bereits 1937 die Position eines Stellvertreters des Direktors erlangt. Das Seminar wurde in die Staatsakademie, der späteren Reichshochschule für Musik Wien, eingegliedert und mit den Schauspielklassen der Akademie zusammengelegt. 

Der Name lautete „Schauspiel- und Regieseminar Schönbrunn“, 1941/42 wurde die Bezeichnung „Schauspielschule des Burgtheaters“ eingeführt. 1940 kam es zur Übersiedlung des Unterrichtsbetriebs in das Palais Cumberland, das Schlosstheater Schönbrunn blieb Spielstätte. Das Seminar lieferte Theateraufführungen für die NSDAP, die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ und die „Deutsche Arbeitsfront“. Darüber hinaus nahm man an propagandistischen Veranstaltungen, wie der Reichstheaterfestwoche und der NS-Grillparzer-Feier, teil.
 

Seit 1945

1945 erfolgte die Wiedereröffnung unter dem Namen „Max-Reinhardt-Seminar“. Nach Hans Thimig (1945), Oscar Deléglise (1946–1948) und Heinz Schulbaur (1948) übernahm die aus dem amerikanischen Exil zurückgekehrte Schauspielerin und Witwe Max Reinhardts Helene Thimig von 1948 bis 1954 die Leitung des Seminars, Heinrich Kraus unterstützte sie bis 1951 in der Administration. 1951 jedoch wurde Hans Niederführ wieder eingestellt und übernahm die administrativen Aufgaben. Niederführ war nach dem Ende des NS-Regimes entlassen und vorübergehend mit Berufsverbot belegt worden. Von 1954 bis 1959 war er erneut Leiter des Seminars.

Im Zuge der Renovierung des Palais Cumberland wurde 1960 eine Studiobühne eingerichtet. Mit dem 1979/80 umgebauten und zuletzt 2007 technisch erneuerten Schlosstheater Schönbrunn, der 1992 eröffneten Neuen Studiobühne, der 2003 neu gestalteten Alten Studiobühne sowie der Arena verfügt das Seminar heute über vier Spielstätten. Das derzeitige Ausmaß des Spielbetriebs entspricht dem eines mittleren Theaters. Produktionen des Max Reinhardt Seminars wurden und werden zu zahlreichen internationalen Festivals und Gastspielen eingeladen. Die Inszenierungen wurden vielfach mit Preisen ausgezeichnet. 

Am Max Reinhardt Seminar werden die Studienzweige Schauspiel und Schauspielregie angeboten, die jeweilige Studiendauer ist seit 1964 auf vier Jahre konzipiert. Das Seminar gehört der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien an, die institutionell aus der Akademie (1945-1970) und der Hochschule für Musik und darstellende Kunst (1970-1998) hervorgegangen ist. Es wurde zunächst als „Abteilung Schauspiel und Regie“ geführt und ist seit 2002 das „Institut für Schauspiel und Schauspielregie“ – der Name „Max Reinhardt Seminar“ wurde beibehalten, er steht auch für die Besonderheit dieses Institutes.

Weitere Leiter des Max Reinhardt Seminars waren Hans Jaray (1960), Helmut Schwarz (1960–1977), Bruno Dallansky (1977), Walter von Hoesslin (1977–1983), Hermann Kutscher (1983–1989), Nikolaus Windisch-Spoerk (1989–1999), Hubertus Petroll (1999–2002 und 2004–2012), Günter Einbrodt (2002–2004), Hans Hoffer (2012–2014), Tamara Metelka im Team mit Peter Roessler, Grazyna Dylag und Anna Maria Krassnigg bzw. Florian Reiners (2014-2020). Nach einer interimistischen Leitung durch Rektorin Mag.a Ulrike Sych von März bis Mai 2020, leitete ab Mai 2020 Univ.-Prof.in Maria Happel das Institut. Seit Juni 2023 hatte Vizerektorin Mag.a Gerda Müller die intermistische Leitung inne.

Mit 1. März 2024 tritt Alexandra Althoff als neue Institutsleitung an.